Die Bäume by Percival Everett

Autor:Percival Everett
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
Tags: Afroamerikaner, Booker Prize, Detektive, Django Unchained, Emmett Till, Ermittlungen, Fünfziger Jahre, Gegenwart, Hardboiled, Leiche, Lynchmobs, Mordserie, Parodie, Rache, Rednecks, Südstaaten, Tarantino, Thriller, US-amerikanisch, Weiße
Herausgeber: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
veröffentlicht: 2023-03-15T00:00:00+00:00

52

Mama Z war dabei, ihre vordere Veranda zu streichen, als Gertrude mit Damon ankam. »Hallo, Urenkelin«, sagte sie.

»Mama Z, das ist mein Freund Damon.«

»Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen«, sagte Damon.

Mama Z lachte. »Ihre Bekanntschaft zu machen? Aus welchem Jahrhundert stammen Sie denn, junger Mann? Mich freut es auch, Sie kennenzulernen.«

»Wie nenne ich Sie?«, fragte Damon.

»Sie nennen mich Mama Z, so wie alle anderen.«

»Damon schreibt Bücher«, sagte Gertrude.

»Ist das wahr? Vielleicht finden wir ja was für Sie, worüber Sie schreiben können.«

»Ich verstehe nicht«, sagte Damon.

»Was wissen Sie über Lynchjustiz?«, fragte Mama Z.

»Einiges. Ich habe ein Buch über rassistisch motivierte Gewalt geschrieben.«

»Ich weiß«, sagte die alte Frau. »Ich habe ein Exemplar im Haus stehen. Es ist sehr …« — sie suchte nach dem passenden Wort — »akademisch.«

»Ich finde, Sie sagen das, als wäre es etwas Schlechtes.«

Mama Z zuckte die Schultern.

Damon sah Getrude wie um Aufklärung bittend an, doch sie zuckte ebenfalls die Schultern. »Akademisch«, wiederholte er.

»Krieg das nicht in den falschen Hals«, sagte Gertrude.

»Ihr Buch ist sehr interessant«, sagte Mama Z, »weil Sie imstande waren, ohne einen Funken Empörung dreihundertsieben Seiten zu einem solchen Thema zu schreiben.«

Das machte Damon sichtlich zu schaffen. »Man hofft, dass objektive wissenschaftliche Arbeit angemessene Empörung erzeugt.«

»Hübsch gesagt, hübsch gesagt«, sagte Mama Z. »Würdest du nicht auch sagen, dass das hübsch gesagt war, Urenkelin?«

»Ja«, pflichtete Gertrude bei.

»Im Leflore County passieren eine Menge seltsamer Dinge, Damon«, sagte Mama Z. »Anderswo auch. Nicht nur in Mississippi. Übernatürliche Dinge.«

»Ach wirklich?« Damon lächelte Gertrude an.

Gertrude nickte.

»Gefällt Ihnen die Farbe?«, fragte Mama Z. Sie trat vom Geländer ihrer Veranda zurück.

»Es ist schwarz«, sagte Damon.

»Ich weiß, welche Farbe das ist«, sagte die alte Frau. »Ich habe gefragt, ob sie Ihnen gefällt.«

»Sie wird im Dunkeln schwer zu sehen sein«, sagte Damon.

»Das ist sehr wahr, mein Junge, sehr wahr. Ich möchte, dass Sie sich das merken.«

»Wovon reden Sie?«, fragte er.

»Gertrude, geh mit Damon ins Haus, in die Bibliothek, und zeig ihm das Archiv.«

»Komm«, sagte Gertrude. »Im Haus ist was, das musst du sehen. Möchtest du Tee?«

»Keinen Tee. Ich will mich hier einfach nur informieren und durchblicken. Übernatürlich? Was ist übernatürlich? Was ist denn das für ein Quatsch? Was ist das Archiv? Warum verhält sie sich so merkwürdig? Wer streicht denn seine Veranda schwarz?« Damon folgte Gertrude durch das vordere Zimmer. Er betrachtete die Regale. »Sie hat eine Menge Bücher.«

Gertrude führte ihn in die Bibliothek und wies ihn mit einer Geste auf die aufgereihten Aktenschränke hin.

»Was habe ich hier vor mir?«, fragte Damon.

»Das ist das Archiv«, sagte sie. »Hier gibt es eine Akte über so gut wie jede Person, die seit 1913 in diesem Land gelyncht worden ist.«

Damon war völlig baff. Er blickte von Wand zu Wand. »Das hat alles die alte Frau zusammengestellt?« Er trat vor und strich mit der Hand über einen Aktenschrank.

»Mach auf. Lies.«

»Wieso 1913?«

»Mama Z ist 1913 geboren. Kurz nach ihrer Geburt wurde ihr Vater gelyncht. Er war ein Wahlrechtsaktivist. Sein Dossier ist das erste.«

»Wie viele gibt es?«, fragte Damon.

»Ich weiß nicht.«

»Wie hat sie das alles geschafft?«

»Sie ist nicht wie wir anderen«, sagte Gertrude.

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